Bald können einige Spanierinnen und Spanier jubeln, denn in absehbarer Zeit müssen für den gleichen Lohn weniger arbeiten. Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitenden können sich für ein Pilotprojekt zur Viertagewoche bewerben. Während des Projekts erhalten die Mitarbeitenden weiterhin ihren vollen Lohn, aber mindestens 30 Prozent der Angestellten sollen mindestens 10 Prozent weniger Stunden arbeiten.
Die teilnehmenden Firmen werden von der Regierung entschädigt, sie stellt 9,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Ziel des Tests ist es, Arbeitsmodelle zu entwickeln, deren Basis eine reduzierte Stundenzahl ist. Dauern wird das Projekt mindestens zwei Jahre, denn so können aussagekräftige Ergebnisse generiert werden.
Im hiesigen Parlament gibt es ebenfalls Stimmen, die auf eine Arbeitszeitreduktion pochen. So auch die SP-Nationalrätin Tamara Funiciello – und zwar schon seit rund sieben Jahren. Sie hat bereits zwei Motionen mit dem Titel «Arbeitszeit verkürzen!» eingereicht. Darin fordert sie, dass die Erwerbsarbeitszeit für tiefe und mittlere Löhne mittelfristig auf 35 Stunden pro Woche gesenkt wird. Die Mitarbeitenden sollten aber weiterhin ihre vollen Löhne erhalten.
«Als Gesellschaft insgesamt werden wir seit Jahren immer produktiver. Aber gleichzeitig sinkt die Arbeitszeit kaum. Da muss man sich doch fragen: Wohin geht dieses Geld?», sagt sie zu watson. «Es werden immer mehr Dividenden ausgezahlt und die Löhne, der Menschen, die schon viel verdienen, steigen stetig. Aber für normale Arbeitnehmerinnen gibt es kaum Verbesserungen. Denn weder sind ihre Löhne im gleichen Mass gestiegen, wie die Produktivität – das wäre fair – noch ist die Arbeitszeit gesunken», erklärt sie weiter.
Laut Funiciello hat sich das Arbeiten an sich stark verändert während den vergangenen Jahrzehnten. Sie sagt: «Wir arbeiten nicht mehr gleich wie früher. Heute ist alles schnelllebiger, alles muss innert kürzester Zeit erledigt werden. Vor 20 Jahren war das anders – denken wir nur an die Handys und Computer. Aber dennoch arbeiten wir fast gleich viele Stunden wie damals. Das ist nicht verhältnismässig.»
Sie fügt an: «Wir sind an einem Punkt angelangt, wo die Produktivität und der Druck schlicht ungesund sind für die Menschen.»
Funiciello geht es jedoch nicht nur darum, fairere Bedingungen zu schaffen bezüglich Produktivität und Entlöhnung, sondern die Problematik ist für sie weitreichender: «Dass die Leute überarbeitet sind, widerspiegelt sich auch in ihrer psychischen Gesundheit. Immer mehr Menschen haben Burn-outs, die Leute leiden. Die damit einhergehenden Kosten sind enorm, je nach Studie geht man von Gesundheitskosten von 9 Milliarden jährlich aus. Das könnte man verhindern, wenn die Arbeitszeit reduziert und die Menschen entlastet würden.»
Funiciello geht es also mit unter darum, Kosten einzudämmen. Das Beispiel des Pilotversuchs in Spanien zeigt aber, dass ein solches Vorhaben mehrere Milliarden kostet. Sie sagt dazu: «Wieso stellt man die Frage, wer das zahlen soll, immer dann, wenn es um die Verbesserung des Lebens der Normalverdienenden geht? Wieso stellt niemand die Frage bei den Dividenden – wer soll das zahlen? Eine Arbeitszeitreduktion ist gut für fast alle. Die Kosten von Burn-outs und Unfällen würden abnehmen. Zudem würde die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert werden. Die Lebensqualität würde steigen, Studien zeigen, die Arbeitnehmer sind glücklicher und zufriedener. Ich würde sagen, eine Investition, die sich lohnt.»
Die Motionen wurden in den beiden Räten noch nicht behandelt. Der Bundesrat hat Funiciellos Motion, welche im Dezember 2021 eingereicht wurde, aber bereits abgelehnt. Primär mit der Begründung, dass die Arbeitszeit auf der Grundlage eines Vertrags zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder durch Gesamtarbeitsverträge festgelegt würde. Zudem sei die Arbeitszeit in der Schweiz bereits seit Jahren rückläufig.
Funiciello sagt zu der Ablehnung: «Stimmt halt einfach nicht – bereits heute sind die Rahmenbedingungen mit einer maximalen Arbeitszeit im Arbeitsgesetz geregelt. Zudem müsse man bei der rückläufigen Arbeitszeit beachten, wer weniger arbeitet. Es sind die, die es sich irgendwie leisten können. Und in vielen Berufen geht es nicht anders als mit einem tieferen Arbeitspensum. Nehmen wir die Pflege, beispielsweise. Da arbeitet fast niemand 100 Prozent. Die Arbeit ist schlicht zu streng. Die Leute arbeiten dann 80 Prozent und müssen aber Überstunden machen, weil es schlicht zu viel Arbeit gibt. Das ist doch keine Lösung. Wenn wir aber die Arbeitsbedingungen verbessern, sie realistischer machen, bleiben die Leute länger im Beruf.»
Sie konkludiert: «Die Argumente des Bundesrates gehen also nur sehr bedingt auf. Es ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, der stattfinden sollte. Es sollen nicht nur die die Arbeitszeit reduzieren können, die es sich leisten können. Schlussendlich müssen wir uns fragen: Wie wollen wir die Produktivität, die erwirtschaftet wird, verteilen? Es kann nicht sein, dass immer nur die profitieren, die Besitzer und Besitzerinnen dieser Unternehmen sind.»
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Teilarbeit ist tatsächlich stark vom Lohn abhängig und in schlecht entlohnten Branchen ist Teilarbeit selten, obwohl gerade in diesen Bereichen die Belastung oft sehr gross ist.
Eine fairere Entlohnung wäre mehr als wünschenswert.
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